Es ist inzwischen schon zu einer Angewohnheit von mir geworden, jeden Monat am Dreizehnten über ein Thema vom Leder zu ziehen. Stoff hatte ich immer genug, sodass es meist reichlich Vorlauf gab. Zu den Dingen, die ich schon immer loswerden wollte, gesellten sich die Dinge, die für neue Erregung sorgten. Zuletzt habe ich mir allerdings immer öfter Gedanken gemacht, was ich denn mal noch auf die Schippe nehme. Immer öfter leerte sich die Warteschlange mit den geplanten Artikeln. Ich war kurz davor, mir selbst Druck zu machen, weil der nächste Termin heranrückte. Ein Termin, dessen Grundlagen eine Idee und etwas Gewohnheit sind. Er hat also gar keine Relevanz.
Manchmal gibt es eben gerade nichts zu sagen. Oft fragt man am Telefon einen Bekannten, was es Neues gäbe, und manchmal ist die Antwort: “Ach, eigentlich nichts”. Das ist, zugegeben, langweilig und kann abweisend klingen. Falls das letzte Gespräch schon ein ganzes Jahr her ist, stimmt Letzteres sicher auch und man sollte auflegen. Hat man aber erst vor drei Tagen telefoniert, dann ist eben vielleicht nichts passiert, worüber es sich zu reden lohnt. Man würde sich auch ziemlich veräppelt fühlen, wenn der andere voller Begeisterung antwortet: “Du, ich war gestern einkaufen. Ich habe ungelogen Mehl, Zucker und Äpfel mitgenommen und dann ist mir was passiert, das glaubst du nicht. Ich stehe an der Kasse und da fällt mir doch ein, dass ich noch Spülmittel brauche. Also: Ich war hin- und hergerissen, ob ich nochmal zurückgehe. Den ganzen Weg nur wegen Spülmittel? Ich komme dadurch noch später nach Hause. Aber die Flasche zu Hause war leer. Man weiß ja nie, ob man nicht ganz dringend mal Spülmittel braucht. Dann hat man keins da. Was dann? Oh Gott! Ich habe dann erstmal ein junges Paar mit einem Paket Windeln vorgelassen. Eine ältere Frau hat mich gefragt, ob sie mir helfen kann. Ich war ja völlig verwirrt. Das hat man mir sicher angesehen. Zum Glück war dann in Kassennähe ein Aufsteller mit den aktuellen Angeboten und da war auch Spülmittel dabei. Ich sage dir, da war ich aber froh. Wer weiß, was sonst passiert wäre? Und bei dir so?” – “Ja, muss halt!”
Man braucht nicht immer etwas sagen, wenn es nichts gibt. Daran werde ich mich in Zukunft auch halten und wenn mal ein Monat verstreicht, an dem ich nichts zu melden habe, dann ist das eben so. Dann mache ich das und publiziere das Nichts nicht.
Ein ungewöhnliches Bild bot sich mir vor kurzem: Am Feldrand neben der Straße lag eine Kaffeemaschine. Wenn es sich nicht um einen Bausatz gehandelt hat, dann war sie offensichtlich nicht mehr funktionsfähig, denn genau genommen lag da keine Kaffeemaschine, sondern es lagen nur Einzelteile einer Kaffeemaschine.
Da stellt sich natürlich die Frage, wie denn eine Kaffeemaschine, abseits jeder Wohngegend, an einen Feldrand kommt. Vielleicht war es ja der Anfang und das Ende einer Liebesbeziehung. ER (Stadtmensch) will SIE (vom Dorf) erobern und lädt sie zu einem Picknick ein. Es soll natürlich an nichts fehlen und auch der Komfort darf keine Wünsche offen lassen. Endlich kann er seinen SUV auch einmal außerhalb der Stadt benutzen und mal probieren, ob das mit dem Allrad wirklich etwas ausmacht. In den Kofferraum wird alles gepackt, was man zu einem gepflegten Picknick braucht. Ein frisch gebrühter Kaffee gehört natürlich dazu. Also kommt auch die Kaffeemaschine mit. Unser urbaner Romeo hat allerdings nicht bedacht, dass es in der Natur nur selten Steckdosen gibt. Das kennt er ja auch nicht. Das Unheil nimmt an dem Punkt schon seinen Lauf.
Er holt seine Angebetete, wie vereinbart, am frühen Nachmittag in dem kleinen Ort ab. Er ist zwar 10 Minuten zu spät, da das Navi die Hauptstraße in mehreren der eingemeindeten Dörfer gefunden und er sich zunächst spontan für den falschen entschieden hat. Aber das ist alles noch im Rahmen. Das Wetter ist perfekt. Heute scheint die Sonne wie sonst nur auf den bekannten Urlaubsinseln. Sie hat ihn schon erwartet. Ihren abwertenden Blick auf sein überdimensioniertes Fahrzeug deutet er falsch und ist weiterhin in bester Laune. Der mitgebrachte Blumenstrauß lässt die Verspätung schnell vergessen. Wieso riecht sie an den Blumen? Die riechen doch nach nichts. “Ich stell sie nur noch schnell ins Wasser”, sagt sie und geht noch einmal zurück in Haus. Mit ihrem bunten Kleid fällt sie zwischen all den Blumen im Vorgarten kaum auf. Er muss niesen. Im Handschuhfach ist zum Glück sein Inhalator.
Als sie wiederkommt, geht es los. Sie lotst ihn ein paar sehr schmale Wege entlang. Häuser gibt es hier nicht mehr, und auf der Fahrbahn ist auch nur noch Schotter und später nicht einmal der. Sein armes Auto. Mitten im Nichts ruft sie: “Hier!”. “Hier?”, fragt er zurück. “Aber hier ist doch nichts.” Das Navi zeigt schon seit einer Viertelstunde nichts mehr an und wiederholt monoton die Bitte zur markierten Route zurückzukehren. Zum Glück ist der Ton aus. Verzweifelt sucht er nach einem Parkplatz, einer Raststätte oder irgendetwas, wo man sein Fahrzeug parken und Platz nehmen kann. “Halt doch endlich an!” “Wo denn?” “Na, einfach hier.”
Er bringt das Fahrzeug zum Stehen. Gut, wem soll es hier auch im Weg stehen. Als er aussteigt, stellt er fest, dass es schräg steht. Hat auch ganz schön geschaukelt unterwegs. Hoffentlich ist die Milch nicht ausgelaufen. Er öffnet den Kofferraum und holt die Spezial-Picknickdecke mit Aluminium beschichteter Unterseite heraus und steht dann allerdings etwas unschlüssig herum. “Heute noch?”, fragt seine Traumfrau, und nachdem er über die Frage nachdenkend weiter unschlüssig stehen bleibt, nimmt sie ihm die Decke aus der Hand und breitet sie einfach irgendwo aus.
Romeo fasst sich und holt die mitgebrachten Schätze aus dem Auto. Blöd, dass die auf der Decke nicht stehen. Der Untergrund ist total uneben. Stell da mal ein Glas hin! Als er nach dem Einschenken des Sekts die Flasche umkippt und seiner Julia das schöne Kleid versaut, merkt auch er, dass ihre Laune sich merklich abgekühlt hat. Das muss jetzt der Imbiss reißen. Als er die Tüten der Backwaren GmbH auspackt, trat noch keine Besserung ein. Im Gegenteil. Irgendwas schien ihr auch daran nicht zu gefallen. Der perfekte Kaffee würde das schon richten. Er war im Büro für seinen perfekten Kaffee berühmt. Er hatte immer genau das richtige Verhältnis zwischen Wasser und Anzahl der Kaffeelöffel. Außerdem gab es noch sein Geheimnis. Er nahm niemals Leitungswasser, sondern kaufte reines Quellwasser im Karton. Damit würde er punkten, denn er hatte an alles gedacht: Kaffee, Wasser im Karton, Kaffeefilter und seine Lieblingskaffeemaschine. Vor den Augen der Angebeteten zelebrierte er nun seine Art, einen perfekten Kaffee zuzubereiten. Er wusste, wie man den Wasserkarton fachmännisch öffnet und das Wasser wie ein Barkeeper mit ausgestrecktem Arm treffsicher in den Tank laufen lassen kann. Auch das Einlegen des Filters in die Maschine war bei ihm ein Zusammenspiel aus Routine und Virtuosität. Das Abzählen der Kaffeelöffel zelebrierte er wie ein heiliges Ritual. Wenn er nicht so überzeugt von sich gewesen wäre, hätte er vielleicht die finsteren Wolken bemerkt, die sich immer dichter über ihm zusammen zogen. Dabei war das Wetter immer noch perfekt. Nur Julia drohte langsam zu explodieren.
Dann kam der Moment, an dem die Kaffeemaschine hätte eingeschaltet werden müssen. Dass der Stecker noch nicht das passende Gegenstück hatte, war dem Romeo in dem Moment auch klar. Hilflos hielt er ihn in der Hand und sah sich um. “Wo ist denn hier der Strom?” Das war das Streichholz am Pulverfass. Die junge Dame konnte nicht mehr an sich halten und eröffnete, was sie von ihm hielt. Viele Dinge verstand er nicht, aber ganz grob lief es wohl darauf hinaus, dass aus der Beziehung nichts wird, sein ganzer Aufwand umsonst war und der Auslöser was mit der Kaffeemaschine zu tun hatte.
Sie stapfte einfach davon. Er rief ihr nach, wollte ihr folgen, konnte aber unmöglich seine Sachen zurücklassen. Also packte er alles wieder in den Kofferraum. Als er aufsah, konnte er sie nicht mehr sehen. Er fuhr los und hatte Glück. Bereits nach einer halben Stunde hatte das Navi eine bekannte Straße entdeckt und lotste Romeo in die sichere Stadt zurück. Unterwegs fiel sein Blick auf die Kaffeemaschine neben ihm. Wütend warf er sie aus dem Fenster, wo sie am Straßenrand in ihre Einzelteile zerfiel. ‘Kann die Stadtreinigung selber aufheben’, dachte er noch.
So oder ähnlich muss es gewesen sein. Eine Alternative wäre noch, dass es durch einen Riss im Raum-Zeit-Kontinuum eine Quantenverschiebung zwischen zwei Parallelwelten gab und die Kaffeemaschine jetzt in einem anderen Universum fehlt. Eine Möglichkeit, die sich nicht ganz ausschließen lässt.
Es gäbe auch noch die Variante, dass ein Riesenarschloch einfach seinen Müll aufs Feld geworfen hat. Aber das ist doch relativ unwahrscheinlich, da der Aufwand, den Müll bis aufs Feld zu fahren größer ist, als ihn kostenlos zur Sammelstelle für Elektronikschrott zu bringen oder einfach bei der nächsten Sammlung vor die Tür zu stellen.
Da las ich letztens etwas in der Art: “WIR hatten früher kein Internet und kein Smartphone. WIR hatten noch richtige Freunde, haben draußen gespielt und blabla…”. Wo habe ich das gelesen? Auf Facebook! Es fehlte nur noch “von meinem iPhone gesendet” darunter. Ziemlich schizophren.
Aber ja dieser neumodische Internetkram und diese ganzen Smartphones heute. Das braucht keiner, weil es das früher auch nicht gab und da ging es ja schließlich auch. Das Zeug jetzt verdirbt die jungen Menschen nur. Man sieht ja, wo das hinführt.
Ein dazu passendes Zitat lautet: “Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.” Dieses Zitat stammt von keinem Geringeren als dem griechischen Philosophen Sokrates, welcher vor grob zweieinhalbtausend Jahren lebte.
Wir stellen also fest, dass die Jugend heutzutage im Prinzip genauso ist, wie die Jugend früher war. Sie können es mir glauben, dazwischen war sie auch so. Aber vielleicht ist es nur der immer gleiche Blickwinkel restaurativ denkender Geister, welche über den an ihnen vorbeiziehenden Fortschritt und die Jugend glauben urteilen zu müssen. Dabei vergessen die Helden des Präteritums, dass sie sich zu ihren eigenen Glanzzeiten ebenso verhalten haben und damals noch froh über alles Neue waren.
Zum schrägen Blickwinkel gehört aber sicher auch noch der Neid, weil man nicht mehr zur Jugend heutzutage gehört. Akzeptieren Sie ihr Alter einerseits und nehmen sie es andererseits nicht zum Vorwand, den Anschluss am Puls der Zeit zu verlieren! Up2date ist keine Frage des Alters, sondern eine Frage der Einstellung. Danach richtet sich auch der Blick auf die Jugend heutzutage. Wenn es Sie beruhigt: Die sind auch bloß die Alten von Morgen 😉