Ganz zufällig und mehr empirisch, also wohl eher durch gesammelte Erfahrung, ist mir ein besonderer Umstand aufgefallen: Es wird immer über die Arbeit geklagt. Der Montag ist (außer bei Schichtarbeitern) grundsätzlich unbeliebt, der Freitag dagegen hat sich zum “Freutag” (Quelle: unbekannt) in die Herzen gespielt. Alle wollen mehr Urlaub und kaum einer tönt damit, seinen Job gern zu machen. Dabei verraten sich manche durch kleine Gesten, durch Unachtsamkeiten, die einem schon mal durchrutschen, wenn man Dinge fast unbewusst erledigt. Da kommt sie dann durch, die Liebe zum Beruf, da kann man sie nicht verleugnen, da muss man einfach dazu stehen.
Eine solche Handlung, die wir mehr oder weniger bewusst vornehmen, ist das Parken.
Nehmen wir ein beliebiges Einkaufszentrum mit einem hinreichenden Parkplatz davor. Stellen wir uns diesen leer vor. Um eine möglichst große Anzahl an Fahrzeugen unter zu bringen, haben die Planer hier eine Einteilung vorgenommen und durch weiße Linien gekennzeichnet. Die Grundidee war, dass der Kraftfahrer sein Fahrzeug in jeweils eines der durch die Linien abgetrennten Felder stellt. Es ist mir unerklärlich, wie man eine derart komplexe Vorgehensweise völlig unkommuniziert von einer nicht genauer analysierten Zielgruppe umzusetzen verlangt. An jeder Kekspackung steht ”so aufreißen”, was nochmal mit einer roten Ecke, zwei Pfeilen und einem Piktogramm gekennzeichnet ist. Dabei kann man auch noch getrost davon ausgehen, dass jemand, der Appetit auf Kekse hat, auch mit der entsprechen Konzentration zu Werke geht. Das kann man von einem kaufwilligen Kunden nicht erwarten. Ja, primär rollt da nämlich schon ein Kunde auf den Hof, liebe Einkaufscenterbetreiber. Wie beabsichtigt, hat der seinen Einkaufszettel im Kopf und will nur noch das Lenkrad gegen den Griff des Einkaufswagens tauschen. Das lästige Abstellen des Pkw ist da nur noch Nebensache. Das kann also schon mal gar nicht so funktionieren, wie ihr euch das gedacht habt. Jetzt greift nämlich das Unterbewusstsein auf das System Routine zurück. Das Fahrzeug wird reflexartig abgestellt. Lustigerweise passiert das so, wie es der Fahrer aus seinem Berufsalltag gewohnt ist. Hier zeigt sich nun auch die Verbundenheit mit der ausgeübten Tätigkeit. Die Leidenschaft, die tief verwurzelt in so manchem Menschen steckt. Man kann also (das ist aber jetzt noch nicht ganz wissenschaftlich abgesichert) aus dem parkenden Auto Rückschlüsse auf den Beruf des Fahrers schließen.
Da haben wir z. B. den Piloten. Wie auf der Rollbahn positioniert er sein Fahrzeug immer so, dass er einen weißen Streifen genau in der Mitte vom Fahrzeug hat. Weiter haben wir den Eisenbahner. Dieser kann keine 90° abbiegen und fährt sein Auto über die imaginäre Weiche schräg in die Lücke. Überhaupt sind die Führer anderer Fahrzeugklassen leicht zu erkennen. Der Schiffskapitän stoppt bereits vor der eigentlichen Endposition. Bei einem Schiff klappt das. Auf dem Parkplatz ragt dann halt noch das Heck raus. Aber es gibt auch andere erkennbare Berufsträger. Der Gerüstbauer verrät sich dadurch, dass er seinen Wagen wie eine Leiter an die Hauswand ganz eng am rechten Rand der Parklücke anlehnt. Die Lehrer kommen diesmal gut weg, denn sie parken nach Lehrbuch. Ähnlich gut platziert sind die Buchhalter. Allerdings behindern sie etwas durch mehrfaches Korrigieren, bis es passt. Vertreter sind es dagegen gewohnt direkt auf ein Ziel zu zugehen. Da wird auch nicht in ein paar Metern Entfernung halt gemacht. Ein Vertreter parkt genau vor der Tür des Ladens. Er lässt sich nicht von ein paar weißen Strichen beirren, den direkten Kontakt zu erreichen. Allerdings ist die Differenzierung zu in der Politik tätigen Personen hier sehr schwer. Aber das sollen ja auch (Volks-)Vertreter sein.
Es lässt sich übrigens noch ein Phänomen auf Parkplätzen beobachten. Die Fußgänger auf Parkplätzen sind zu mehr als 90% potentielle Kraftfahrer, die gerade vom Fahrzeug kommen oder sich dahin bewegen. Man sollte meinen, dass diesen Menschen die Probleme und Verhaltensweisen beider Arten von Verkehrsteilnehmern geläufig sind. Aber nur bei laufendem Motor denkt der Mensch als Kraftfahrer. Der Zündschlüssel schaltet sozusagen auch im Hirn um. Eben wurde noch der Autofahrer mit Schimpfworten belegt, weil der nicht einmal warten kann, bis man seine Einkäufe im Kofferraum verstaut hat und gleich darauf wird die Oma angehupt, die sich ruhig ein bisschen beeilen könnte beim Überqueren der schmalen Gasse.
Da ist man doch schon frustriert von der Parkplatzsuche, dem Parkverhalten einzelner Berufsgruppen und den nervigen Fußgängern bzw. Autofahrern (je nach aktueller Zugehörigkeit), bevor man das erste Geschäft betreten hat.
Das Erlebnis Einkauf geht doch aber schon auf dem Parkplatz los. Hier muss der Kunde schon abgeholt werden und das meine ich wörtlich. Wenn der Kunde König ist, wieso muss er dann seinen Wagen selber parken? Das haben Hotels bereits vor hundert Jahren besser gemacht. Man muss den Kunden gleich nach der Trennung vom Fahrzeug auch in Empfang nehmen.
Ich stelle mir das Modell “Konsum-Hotel” so vor: Man fährt mit dem Wagen vor und drückt dem Pagen die Autoschlüssel in die Hand. Man betritt die Eingangshalle und wird mit einem Willkommenstrunk freundlich begrüßt. Dann wird ein Einkaufswagen zur Verfügung gestellt. In höherpreisigen Einrichtungen alternativ mit einer Art “Kofferträger”, der diesen schiebt. Am Ende werden einem noch die Einkäufe im Auto verstaut und der Wagen vorgefahren, während man in der Lobby wartet. So hofiert fühlt sich der Kunde wie ein Promi des Geldadels und wird sich sicher auch so verhalten. Hier wären Umsatzsteigerung und die schnelle Refinanzierung kleinerer notwendiger Investitionen garantiert.
Darüber sollten sich die Planer von Einkaufszentren mal Gedanken machen. Das Mindeste wären aber auf dem Parkplatz ein paar Piktogramme, Pfeile und ein Hinweis “so einparken”.
Aus der Rubrik „Karl Pfefferkorn (1897-1961) zieht vom Leder“