Die Kaffeemaschine ist kaputt. Die war doch noch gar nicht so alt. Ich hab den Kassenzettel noch. Ach, doch schon 2 Jahre und drei Wochen. Die Garantie ist also gerade abgelaufen. Taugt alles nichts mehr heutzutage. Wie kann eine Gesellschaft existieren, wenn sie nur Müll produziert, der nicht lange hält?
Auch wenn es unsinnig erscheint, unsere Gesellschaft existiert recht gut, gerade weil alles nicht lange hält.
Womit prahlen denn die “führenden” Wirtschaftsunternehmen jedes Jahr? Es sind die Steigerungen beim Umsatz. Stagnation gilt als Anfang vom Ende. Die Zahl, im letzten Jahr stolz verkündet, taugt in diesem nicht. Es muss immer noch mehr sein.
Mehr Umsatz, mehr Gewinn. Nur so lässt sich der Status sichern. Nur so kann die Wirtschaft den Staat am Laufen halten. Nur so ist Wohlstand zu finanzieren.
Ich gehe davon aus, dass unter den geschätzten Lesern die Großindustriellen in der Minderheit sind und sich der Rest jetzt fragt: “Was geht mich das an?”
Oh, das geht uns alle an. Wie soll denn die Umsatzsteigerung sonst erfolgen? Da sind wir alle gefragt. Da müssen alle an einem Strang ziehen. Wir müssen kaufen und konsumieren, also verbrauchen. Wir sind schließlich alle Verbraucher. Das ist es, was unsere Wirtschaft in Schwung hält und unseren Wohlstand sichert. Die Kaffeemaschine geht also nicht kaputt, weil der kleine Chinese billigen Schrott verbaut hat. Nein, sie geht kaputt, weil es Zeit für eine neue Maschine ist. Wir haben die alte quasi verbraucht. Könnte man auch selber drauf kommen. Man muss da auch nicht warten, bis das Gerät seinen Dienst versagt. Jeden Tag zeigen uns stets gutgelaunte Menschen im Fernsehen in den Spielfilmpausen, was es alles zu kaufen gibt. Die wissen, dass Kaufen für unsere Gesellschaft von elementarer Wichtigkeit ist. Sie bezahlen sogar die Sender, um uns an dieser Erkenntnis teilhaben zu lassen. Es muss also ernst sein.
Hören Sie auf diese Menschen, wenn Sie auch in Zukunft noch in einer Wohlstandsgesellschaft leben wollen. Man kann auch eine neue Kaffeemaschine kaufen, wenn die alte noch gar nicht kaputt ist. Der Vorteil liegt klar auf der Hand: Wann geht eine Kaffeemaschine denn kaputt? Genau dann, wenn Sie Kaffee trinken wollen. Im ungünstigsten Fall ist das ein Sonntag und Sie haben Gäste. Dem können Sie nur ausweichen, wenn Sie das Gerät vorher austauschen. Je eher, desto besser. Besser für Sie und besser für die Wirtschaft, denn Sie steigern den Umsatz. Hat man früher nach zehn Jahren eine neue Kaffeemaschine gebraucht, schafft man heute vielleicht vier in der gleichen Zeit. So ist es richtig. Das ist aber nur Durchschnitt. Als guter Verbraucher sollten Sie die Abstände noch verkürzen. Beim Smartphone klappt das doch schon ganz gut. Da muss spätestens alle zwei Jahre ein neues her. Alternativ kann man sich auch Zweit- und Drittgeräte zulegen, um seinen Beitrag zur Konjunktur zu leisten. Vorreiter auf diesem Gebiet sind die Frauen. Da muss man sie einfach mal loben. Da weiß ich, wovon ich rede. Den Schuhmachern ginge es wesentlich besser, wenn jeder Mann seiner Pflicht als Verbraucher genauso nach käme, wie die Frauen beim Schuhe kaufen.
Es geht nicht darum, ob man alles braucht, was man kauft. Es geht um das Verbrauchen. Sie müssen nur kaufen. Mehr müssen Sie gar nicht tun. Es ist für die Wirtschaft völlig irrelevant, ob Sie die Einkaufstüten auspacken.
So, da Sie nun verstanden haben, wie wichtig Ihr Beitrag ist, gehen Sie erhobenen Hauptes los und stürzen Sie sich in den Kauf der Weihnachtsgeschenke. Sie kennen jetzt den eigentlichen Zweck. Sie halten damit die Wirtschaft aufrecht. Idealerweise kaufen Sie etwas, das der zu Beschenkende nicht braucht oder sich gar wünscht. Dann kann der nämlich nach Weihnachten auch nochmal los und was kaufen. Von Geldgeschenken kann ich nur abraten. Der gegenseitige Austausch von Banknoten nutzt keinem. Das gibt nur ein kleines Plus bei Enkelkindern. Die Großeltern haben das Minus und in der Generation dazwischen geht es meist zu Null auf.
Also kaufen Sie drauflos, es ist immer richtig und es ist schließlich Ihre Pflicht.
Aus der Rubrik „Karl Pfefferkorn (1897-1961) zieht vom Leder“