Es war im letzten Herbst. Mein langjähriger und treuer Rasenmäher war der Meinung, dass er genug gearbeitet hat und nun einem jüngeren Modell Platz machen würde. Bei der “Stellenausschreibung” fiel die Wahl auf ein Modell mit Akku. Bei meiner Grasfläche würde ich zwei Akkus im Wechsel brauchen. Weil die Akkus einzeln nicht gerade billig sind, sollte es die Variante gleich mit Zusatzakku sein. Nachdem diese Wahl gefallen war, musste nur noch das günstigste Angebot her. Bis zum Frühjahr war viel Zeit für Recherche und vielleicht bot sich auch das ein oder andere Schnäppchen.
Natürlich ging die Suche zunächst im Internet los. Man verschafft sich erst einmal einen Überblick. Zum Glück ist das Gerät schon eine Weile auf dem Markt und der Preis hat sich schon ein ganzes Stück von der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers nach unten korrigiert. Da es das Modell auch mit nur einem Akku gibt, muss man bei der Suche gut aufpassen. Schnell kommt man auf ein vermeintlich preiswertes Angebot, muss aber bei genauerem Lesen feststellen, dass nur ein Akku oder gar keiner dabei ist. Nichts überstürzen! Bis zum ersten Schnitt war ja noch Zeit. Dann endlich ein Superangebot eines Baumarktes in der Nähe. Zwei Tage lang 25% Rabatt! Wenn der Artikel nicht vorrätig wäre, würde er bestellt. Wenn man gleich zahlt, würde auch der Rabatt gewährt. Nichts wie hin!
Eigentlich sollte ein Kunde mit einer konkreten Artikelbezeichnung der Idealfall für einen Verkäufer sein. Die Dame der Gartenabteilung schien das anders zu sehen. Um meine eventuelle Enttäuschung bereits im Vorfeld abzufangen, dämpfte sie zunächst meine Hoffnung, indem sie mich darauf hinwies, dass man den Artikel erst bestellen müsse. Wenn er denn überhaupt lieferbar wäre. So gewappnet bat ich sie nachzusehen. Siehe da, die Vorsicht war nicht nötig. Der Rasenmäher mit Zusatzakku war bestellbar. Allerdings kam jetzt der Preis. Der war weit ab von normalen Ladenpreisen, vom Internetpreis ganz zu schweigen. Der war soweit weg, dass er selbst mit 25% Rabatt noch über der Konkurrenz lag. Ich verabschiedete mich höflich. Im Gesichtsausdruck der Verkäuferin las ich Bedauern, ein wenig Mitleid und die Bestätigung, dass sie gleich gewusst hat, dass das nichts wird.
Von diesem ersten missglückten Versuch habe ich mich nicht entmutigen lassen. Es gibt ja noch andere Baumärkte und Anbieter von Elektrogartengeräten in der Nähe. Mal sehen, was die so für Preise haben, dann vielleicht noch eine der regelmäßigen Rabattaktionen und das Schnäppchen wäre im Kasten.
Eine erneute Internetrecherche ergab, dass ein Baumarkt in der Nähe den Mäher zumindest für einen guten “Ladenpreis” im Onlineshop hat. Wenn es jetzt noch Rabatt gäbe, dann würde es passen. Okay, Onlineshop und Markt vor Ort sind zwei verschiedene Betreiber unter dem selben Logo. Das wusste ich und würde erst einmal fragen gehen müssen.
Dann endlich kam ein Flyer mit dem wöchentlichen Prospektestapel. Bei “Alt gegen Neu” sollten es 15% sein. Wenn der Preis im Laden so wie im Onlineshop wäre, dann wären die 15% perfekt.
Der alte Rasenmäher wurde in’s Auto gepackt und ab ging’s. In der Gartengeräteabteilung kam Freude auf. Da stand er, mein Wunschkandidat. Es war allerdings die Ausführung mit nur einem Akku, aber auch hier schon ein ordentlicher Preisnachlass. Gleich daneben war der Infostand. Er war mit einer Mitarbeiterin besetzt, welche gerade frei war. Manchmal hat man eben Glück. Die gute Frau stand noch mit dem Rücken zu mir, da sie gerade etwas unter dem Tresen verstaute. Gleich würde sie sich umdrehen. Ich liebe diesen Moment. Im Bruchteil einer Sekunde wischt dann eine ganze Palette an Emotionen über das Gesicht. Zuerst sieht man noch kurz den Ausdruck eines Menschen, der einen anstrengenden Tag hinter sich hat und für einen Augenblick entspannt. Dann kommt der kurze Schreck, für eine Nanosekunde der Ärger und gleich darauf das professionell freundliche Verkäufergesicht. (Ihr Ausbilder hätte seine Freude gehabt.) Ich trug mein Anliegen mit der korrekten Artikelbezeichnung, meinem Wunsch auf Nutzung der Rabatt-Aktion und meinem Hinweis auf das ausgestellte Gerät der jungen Dame vor. Sicherheitshalber ging sie mit mir noch einmal direkt zu den Rasenmähern. Dieser hier. Ich zeigte der suchenden Dame das Gerät. Ja, der hat nur einen Akku. Es gibt ihn auch mit zwei und genau das möchte ich. Nein, nicht zusätzlich zu diesem Gerät, sondern in der Variante mit zwei Akkus. Das gibt es direkt vom Hersteller so verpackt und angeboten. Zum Glück erschien in dem Moment die ältere Kollegin. Ich wiederholte mein Anliegen möglichst wohl artikuliert und in vollem Umfang. Ich möchte bitte dieses Modell mit der Bezeichnung in der Ausführung mit zwei Akkus. Nein, es ist unwahrscheinlich das da generell zwei Akku dabei sind, aber dann wäre der Preis wirklich Spitze. Die jüngere Kollegin bot sich an, gleich einmal im Lager nachzusehen und setzte sich spontan in Bewegung. “Im Lager nachsehen” ist eine der wichtigsten Handlungen in einem solchen Markt. Das steht sicher schon im 1. Lehrjahr auf dem Plan. Der Verkäufer oder die Verkäuferin wird für den Kunden aktiv. Das macht Eindruck. Da geht jemand extra für mich los. Computer, Prospekte, ausgestellte Gerät sind alle nebensächlich, wenn man sich persönlich noch einmal ins Lager begibt und da für den Kunden nachsieht. Zusätzlich hat es den Vorteil, dass man zunächst weg vom Kunden ist. Wenn man dann erfolglos wiederkommt, nimmt es einem der Kunde auch nicht übel. Man hat sich wirklich eingesetzt. Man hat alles versucht und ist nochmal ins Lager gegangen. Wenn das nichts gebracht hat, dann ist das Lager schuld.
In der Zwischenzeit unterrichtete mich die ältere Kollegin, dass sie noch keine neuen Kataloge hätte und das mache es schwierig. Meine Glückssträhne hatte offensichtlich gerade ein Ende gefunden. Es begann ein wildes Suchen in alten Unterlagen. Die jüngere Kollegin kam aus dem Lager zurück. Bedauernder Gesichtsausdruck. Nein, da stünde auch nichts von zwei Akkus. Klar, das Lager. Konnte man nichts machen. Sie hatte es wenigstens versucht.
Die ältere Dame probierte es mal mit dem Computer, fand aber den Artikel auch dort nicht. Ihre jüngere Kollegin blickte ihr über die Schulter und gab Korrekturvorschläge für die Eingabe bei der Suche. Sie hatte sich die von mir genannte Artikelbezeichnung gemerkt. Dabei hatte ich die nur 6-7 Mal aufgesagt. Pfiffig, die Kleine! Langsam bekam ich das Bedürfnis, den Frauen behilflich zu sein. Schließlich war ich ja an allem schuld, wenn man mal vom Lager absah. Ich schlug daher vor, im Onlineshop nach dem Artikel zu sehen. Vielleicht haben die dort die gleichen Artikelnummern. Damit handelte ich mir eine Belehrung darüber ein, dass der Onlineshop ja nichts mit ihrem Markt zu tun hätte und man daher auch nicht alles hier bestellen könne, was es online gibt. Kleinlaut verwies ich darauf, dass ich ja deswegen hergekommen war, zum Nachsehen, ob sie mir den Rasenmäher bestellen könnten. Die Damen tauschten die Plätze und während die jüngere im Internet nachsah, wälzte die ältere noch einmal die alten Kataloge vom vorigen Jahr. Dann kamen sie plötzlich nahezu zeitgleich zu einem Ergebnis. Ich war froh. Fast wäre die Stimmung bereits gekippt. Endlich gab es den Beweis, dass es meinen Artikel tatsächlich gab. Er stand im Onlineshop und auch im alten Katalog. Mit der Artikelnummer war es nun ein Kinderspiel, in der Warenwirtschaft nachzusehen. Dann die Enttäuschung: Der Rasenmäher mit Zusatzakku war ausgelistet. Nachdem wir alle drei nun schon so kurz vor dem Ziel waren, war das sehr bitter. Ratlosigkeit machte sich breit. Die Luft war raus. Alles war umsonst. Wahrscheinlich aus einer Art Mutterinstinkt versuchte mich die ältere Verkäuferin zu trösten. Vielleicht könne ich ja irgendeinen Code vom Rabattcoupon im Internet eingeben. Sie nahm den hauseigenen Flyer und drehte ihn mehrmals um 180°. Die unerfahrene Kollegin fiel ihr allerdings ungeschickt in den Rücken, indem sie sie darauf hinwies, dass ich bei “Alt gegen Neu” ja meinen alten Rasenmäher irgendwie einsenden müsste. Es half alles nichts. Ich bedankte mich für die gemeinsame Zeit und verabschiedete mich auch hier unverrichteter Dinge.
Zu Hause habe ich dann zum regulären Internetpreis bei Baumarkt Nummer drei bestellt. Ich konnte mir das Gerät nach zwei Tagen ohne Versandkosten in der nächsten Filiale abholen. Ein ziemlich unspektakulärer Kauf, aber das günstigste Angebot und ich musste ja auch langsam mit dem ersten Grasschnitt beginnen
Aus der Rubrik „Karl Pfefferkorn (1897-1961) zieht vom Leder“