Vor zweieinhalb Wochen haben wir die Uhren wieder umgestellt von Winterzeit auf Sommerzeit. Falsch! Wir haben sie von der richtigen Zeit auf Sommerzeit umgestellt. Aber das ist auch falsch. Wir haben sie von der “Normalzeit” auf Sommerzeit umgestellt. “Normalzeit” ist nämlich auch nicht ganz die “richtige” Zeit.
Aber was ist die “richtige” Zeit?
Die Zeiteinteilung in Stunden richtet sich nach dem Stand der Sonne. Die Mitte des Tages ist, wenn die Sonne am höchsten steht. Das ist dann 12:00 Uhr. Genaugenommen hat so jeder Ort auf der Erde seine eigene Uhrzeit. Nur bei denen auf demselben Längengrad ticken die Uhren gleich. Das wäre dann die “richtige” Zeit. Da das unpraktisch ist, hat man die Welt in Zeitzonen eingeteilt und hat nur noch Sprünge von einer Stunde. Das läuft prinzipiell so: Es gibt 24 Zeitzonen um den Globus herum. 360° geteilt durch 24 = 15°. Somit ist bei jedem 15. Längengrad Mittag 12:00 die Sonne am höchsten und die 7,5° links und rechts (bzw. westlich und östlich) spielen einfach mit.
Nun bestehen Länder und Staaten aber nicht aus schönen geraden geometrischen Gebilden. Also hat man die Zeitzonen auch noch an die Ländergrenzen angepasst. Manchmal gibt es auch politische Einheiten und dadurch größere Ausbuchtungen.
Damit gibt es nun Orte auf der Erde, die zwar auf demselben Längengrad liegen, aber trotzdem unterschiedliche Uhrzeiten nutzen. Aber das ist eben normal und somit haben wir hier die Normalzeit.
Mit dem Einzug der elektrischen Beleuchtung wurde abends immer mehr Energie verbraucht und so kritisierte einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten, Benjamin Franklin, in seiner Eigenschaft als Diplomat in Paris, bereits 1784 die Energieverschwendung des dortigen Nachtlebens.
1895 schlug dann der Insektenforscher(!) George Vernon Hudson eine saisonale Zeitverschiebung vor. Zum Glück hörte keiner auf ihn.
An dem Blödsinn mit der Umsetzung einer Sommerzeit waren letztendlich wir Deutschen schuld. Am 30.04.1916 wurde im Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn zum ersten Mal die Sommerzeit eingeführt. Man wollte damit die Kosten für den Ersten Weltkrieg senken, indem man die künstliche Beleuchtung bei der Produktion an den Abendstunden verringerte. Die Gegner, Großbritannien und Frankreich, zogen nach. 1919 wurde die Sommerzeit in Deutschland wieder abgeschafft, weil sie keiner so recht mochte. Der nächste Krieg ließ aber bekanntlich nicht lang auf sich warten und man führte sie 1940 wieder ein. Die Zeitzone von Berlin wurde auf die besetzten Gebiete ausgedehnt. Nach dem Krieg 1949 schaffte man die Sommerzeit erneut ab. Die Ölkrise 1973 nahm allein Frankreich zum Anlass, um mit der Wiedereinführung der Sommerzeit 1976 Energie sparen zu wollen. Es folgten immer mehr Staaten, viele dann einfach nur zur Harmonisierung der neuen Europäischen Union. Beide deutsche Staaten entschieden jeder für sich, die Sommerzeit ab 1980 ebenfalls einzuführen.
Ob es was bringt oder nicht, da scheiden sich die Geister. Mir persönlich fallen mehr Argumente dagegen ein. Fraglich ist nur, ob noch jemand in der Lage ist, dieses Mittel des Krieges je wieder abzuschaffen, selbst wenn der volkswirtschaftliche Nutzen ein Minus hätte.
Wenn Sie aber nun wirklich die “richtige” Zeit wissen wollen, dann empfehle ich einen Spaziergang an einem sonnigen Tag zum Heimathaus in Großsteinberg. Dort befindet sich seit kurzem eine handgeschmiedete Sonnenuhr am Giebel. Diese zeigt die genaue Ortszeit an. Da hat dann auch 12:00 Uhr die Sonne ihren höchsten Stand.
Aus der Rubrik „Karl Pfefferkorn (1897-1961) zieht vom Leder“