Zu Lebzeiten konnte ich mir keinen Urlaub leisten. Ich bin auch gar nicht auf die Idee gekommen. Meine Arbeit habe ich gern gemacht, Haus und Hof konnte man ja auch nicht allein lassen und ich hatte auch nicht das Gefühl “mal raus” zu müssen. Das ist ja heute alles anders. Heute gehört der Urlaub schon fast so dazu wie die Arbeit selbst.
Aber es heißt auch, dass das Reisen bildet und heute kann man ja sehr schnell hier und dorthin reisen. ‘Also mach ich das jetzt auch mal’, dachte ich bei mir. Und wenn, dann richtig! Ich fliege mal ins Ausland. Aber wohin? Ich weiß nicht, ob es Ihnen schon einmal aufgefallen ist, aber es gibt sehr viel Ausland. Genau genommen gibt es nur Ausland außerhalb von Deutschland. Ich entscheide mich, dem Herdentrieb zu folgen und fliege mit vielen anderen Deutschen zur spanischen Mittelmeerinsel Mallorca. Leider spreche ich nicht spanisch. Wie soll das nur gut gehen in einem fremden Land, wenn man die Landesprache nicht beherrscht.
Erstaunt stelle ich fest, dass man mich trotzdem gut versteht. Ich bin beeindruckt. Ob bei uns ein Spanier auch so einfach durch käme? Das bezweifle ich. Ich weiß zwar, dass der Mallorquiner sein Leben vom Tourismus bestreitet, trotzdem spüre ich die Gastfreundschaft. Ich bezahle zwar, bin aber trotzdem Gast in dem Land. Ich benehme mich also auch, wie es sich für einen Gast gehört. Man will ja auch einen guten Eindruck als Deutscher machen. Dachte ich jedenfalls. Wenn ich aber viele meiner Landsleute so beobachte, könnte ich meinen, wir wären im letzten Weltkrieg als Sieger hervorgegangen. Aber selbst wenn, müsste sich nicht eine “überlegene Herrenrasse” wenigstens erst einmal benehmen können?
Fast schon “zum Glück” muss ich sagen, die Engländer und Russen können’s auch nicht. Ich bin mir schon im Klaren, dass ich das verallgemeinere. Doch es fällt schon auf, welche Sprachen auffallen. In dem schönen Land stören eigentlich nur die Ausländer. Die Deutschen sind da inbegriffen. Am liebsten möchte ich “Ausländer raus” rufen, aber ich kann das nicht auf spanisch und ich bin ja auch Ausländer hier. Wenn ich es mir recht überlege, wäre es zwar ohne Ausländer schöner in Mallorca, aber der Insel würde damit die Lebensgrundlage entzogen. Vielleicht doch gar nicht so gut, diese Idee.
In Deutschland ist das einfacher. Wir müssen Ausländer nicht hinnehmen, wenn die sich nicht benehmen, oder? Naja, es gibt auch Tourismus in Deutschland. Da nehmen wir auch alles, was kommt und wieder geht. Da geht es uns wie den Spaniern. Da ist der Kunde einfach König. Und die anderen Ausländer? Wenn die aus dem Ausland heimgekehrten Deutschen, nicht mehr selbst Ausländer sind, reden sie meist anders über das Thema. Da laufen wieder einmal viele politischen Rattenfängern nach, die “den Ausländer” als neues Feindbild etablieren. Der typische Ausländer ist demnach ein radikaler Glaubenskrieger, vergewaltigt Frauen und sprengt sich dreimal am Tag in die Luft. Allerdings haben wir ähnliche Probleme wie die Mallorquiner. “Ausländer raus” würde auch bei uns das System zum Einsturz bringen. Der “typische Ausländer” scheint doch zwischen seinen “Sprengstoffanschlägen” einer geregelten Tätigkeit nachzugehen. Fast 30 Prozent der in den vergangenen zehn Jahren nach Deutschland zugewanderten Menschen verfügen über einen Hochschulabschluss (im Bevölkerungsschnitt sind es nur 19%). Mehr als zwei Fünftel der Zuwanderer sind nach Angaben des DIW sozialversicherungspflichtig beschäftigt (41,9 Prozent). Unter der deutschen Bevölkerung (inklusive der Einwanderer zweiter und dritter Generation) sind es nur 35,5 Prozent [1]. Dass die Bundesliga ohne Ausländer arm dran wäre, muss man sicher nicht erwähnen. Wir wären auch nicht Weltmeister geworden. Ein Land, in dem weniger Menschen geboren werden als sterben, braucht Zuwanderung. Wer zu uns kommt, sei es aus freien Stücken oder aus Not, den sollten wir willkommen heißen und nicht beschimpfen oder gar bedrohen. Was ist das nur für eine Kultur in Deutschland? Sind wir nicht eigentlich stolz auf unsere Kultur? Gern wäre ich stolz, ein Deutscher zu sein. Das wäre ich dann, wenn ich in anderen Länder überall freundlich empfangen würde, nur weil ich ein Deutscher bin und die Deutschen so einen guten Ruf haben..
[1]Quelle: http://www.huffingtonpost.de/
Aus der Rubrik „Karl Pfefferkorn (1897-1961) zieht vom Leder“