Dieses Sprichwort aus alten Tagen will uns sagen, dass man Dinge auch selber erledigen kann. Dann hat man es einfacher, billiger und weniger Ärger mit Handwerkern. Ein Schuhmachermeister ist ja auch ein Handwerker. Doch Schuhmacher gibt es heute nur noch wenige. Die braucht kaum noch jemand. Gefragter sind Klempner, Elektriker oder Fliesenleger. Der Zimmermann rangiert da etwas dahinter. Leider lässt sich das Sprichwort nicht so einfach übertragen. Die Rohrzange im Haus erspart nicht den Klempner und der Phasenprüfer nicht den Elektriker. Da gehört schon etwas mehr dazu. Das ist ja auch richtig so. Allein mit dem geeigneten Werkzeug kann man keine Ausbildung und erst recht keine Erfahrung ausgleichen.
Wer also auf ein oder mehrere Gewerke angewiesen ist, wird sich aber wünschen, dass ihm das erspart bliebe. Im Geiste mag er vielleicht das Sprichwort ummünzen in: “Die Axt im Haus erspart den Scharfrichter”. Für die Jüngeren unter den Lesern: Der Scharfrichter hat früher Todesurteile vollstreckt, indem er die Leute geköpft hat. Der, der die Leute gehenkt hat (nicht “(auf)gehängt”, was aber mit der Schlinge um den Hals auf dasselbe heraus kommt), war der Henker. In der DDR gab es noch einen Witz, in dem man nun gefragt hat, wie denn der hieß, der die Leute wieder abgeschnitten hat. Antwort: der Abschnittsbevollmächtigte (offizielle DDR-Bezeichnung für den Ortpolizisten).
Ein weiteres Sprichwort lautet: „Handwerk hat goldenen Boden.“ Für das Schuhmacherhandwerk war der Boden eher aus unedlerem Metall. Aber ein guter Handwerker konnte zu jeder Zeit seinen Lebensunterhalt bestreiten.
Man braucht Handwerker und ist oft von ihnen abhängig. Und das wissen sie. In der DDR hatte man ihre Anzahl künstlich verknappt. Damit stieg ihr Marktwert enorm. Denn auch im real existierenden Sozialismus wirkten die Regeln des Marktes. Das war nicht gewollt, aber ein Fakt. Was hatten es die Handwerker gut in der DDR. Sie wurden hofiert wie kleine Könige, bekocht, “geschmiert” und am Arsch geleckt. Sie bekamen begehrte Tauschobjekte nur für einen Termin. Bezahlt wurde sogar in “harter” Währung. Oder in der Pseudowährung “Forumscheck”. Das war ein Zahlungsmittel, welches man in der DDR gegen Devisen (i.d.R. DM) tauschen und dann damit in den “Intershops” bezahlen konnte. “Intershops” waren spezielle Läden, in denen es Produkte aus dem „Westen” gab. Durch das Zahlungsmittel “Forumscheck” gab es bald das geflügelte Wort: „Wie fragt ein Handwerker? – Forum geht es denn?”.
Ein “geflügeltes Wort”. Das ist ein Wort (oder eine Wortgruppe), die schnell (wie auf Flügeln) Verbreitung findet. Das ist quasi die Vorstufe zum Sprichwort. Ein Sprichwort ist eine als treffend empfundene Aussage von volkstümlich traditioneller Art, welche meist eine Lebensweisheit/-erfahrung darstellt und weitergegeben werden soll.
In unserer aktuellen Kultur gilt jemand, der seine Rede mit dieser Art Lebensweisheiten füllt, eher als Sprücheklopfer und nicht als guter Redner. In der asiatischen Kultur dagegen ist der ein guter Redner, der seine Aussagen mit Weisheiten schmücken kann. Hier haben Zitate alter Weisheiten noch einen guten Ruf. Dabei liegt es beim Zuhörer, den Sinn hinter dem Spruch zu suchen. Manches erschließt sich auch nicht gleich. Das Nachdenken darüber ist aber genauso wichtig und gehört zum Erkenntnisprozess.
Ich glaube nicht, dass sich einer von Ihnen schon mal einen Zimmermann durch eine Axt im Haus erspart hat. Trotzdem scheint der Sinn hinter dem Spruch zu funktionieren, sonst gäbe es keine Heimwerkermärkte. Aber lassen Sie ja die Finger von Strom und Gas! Sie kennen ja das Sprichwort: “Schuster, bleib deinen Leisten”.
Aus der Rubrik „Karl Pfefferkorn (1897-1961) zieht vom Leder“