Die Justizvollzugsanstalt Bautzen ist ein Gebäudekomplex aus gelbem Backstein. Die Farbe der Steine lieferte den Attributsteil. Der Rest des Spitznamens “Gelbes Elend” erschließt sich dem geschätzten Leser sicher von selbst.
Doch mir geht es nicht um ein gelbes Elend mit dicken Mauern aus Stein. Mir geht es um eins mit dünnen Hüllen aus Kunststoff. Es geht mir um sehr dünne gelbe Folie, aus welcher die Behältnisse gefertigt werden, welche die Verpackungen des sogenannten “Dualen Systems” aufnehmen und bis zum Abtransport aufbewahren sollen. Dies sind die “Gelben Säcke”, die bereits mit dem zweiten Namensteil ein völlig falsches Bild zeichnen. Beutel oder Tüten wären treffender. Aus einem Bauchgefühl heraus würde ich vermuten, dass die Hersteller neue Rekorde erzielen wollen und aktuell nur noch Goldfolie dünner zu produzieren ist. Was man mit Kunststoff alles machen kann. Mit Kunststoff kann man auch sehr stabile und haltbare Dinge herstellen. Diesen Zweig der Entwicklung haben die Verantwortlichen jedoch nicht im Blick. Das macht natürlich Ruhm und Ehre bei der Erzeugung der wohl dünnsten Kunststoffsäcke der Welt wieder zunichte, denn das Zeug ist absolut nicht zu gebrauchen. Es kann seinen Zweck nicht erfüllen.
Es passiert immer wieder, dass bereits das Abtrennen eines Einzelstückes von der Rolle mit dessen Zerstörung endet. Hat man dann ein Exemplar erfolgreich in der Halterung zum Befüllen befestigt, darf man ja keine Verpackungen mit Ecken einwerfen. Aber der Quader ist nun einmal die aus logistischen Gründen häufigste Verpackungsvariante. Ich gehe davon aus, dass sich Milchkartons in Fußballform niemals durchsetzen werden. Sollte man beim Befüllen die Behutsamkeit eines Glasmalers an den Tag gelegt haben, kommt die nächste Hürde. Falls es einem gelingt, die Bändchen zum Schließen des Sackes aus den kaum noch zu erahnenden Öffnungen zu ziehen, hat man sie spätestens dann in der Hand, wenn man beide Seiten straff ziehen möchte. Wer auch hier noch Erfolg hatte, dem kann es dann noch passieren, dass der Sack beim Hinaustragen reißt und sich die löffelreinen Joghurtbecher von vor zwei Wochen samt Deckel zusammen mit den Hüllen der 127 einzeln verpackten Bonbons, den Trennfolien der Schinkenscheiben und der zerlegten Styroporverpackung eines neu erworbenen Gerätes über den Küchenboden verteilen. Im Idealfall. Alternativ passiert das bei Windstärke 6 auf dem Weg zum Gartentor. Hat man es wider Erwarten geschafft, seine gelben Säcke am Abholtag ordnungsgemäß abzulegen, kann es dann noch vorkommen, dass es die Jungs auf ihrer Tour nicht mehr geschafft haben, alles einzusammeln und erst am nächsten Tag kommen. Allerspätestens dann hat sich irgendein Getier über die Beutel hergemacht. Muss nicht einmal böse Absicht gewesen sein. Es wollte vielleicht nur spielen. Wird wahrscheinlich selber überrascht gewesen sein, wie schnell es an den Inhalt kam. Kaputt ist kaputt.
Warum, frage ich Sie und mich und die Verantwortlichen, macht man so einen Schrott? Erste, aber nicht beste Erklärung wäre, dass stabilere Säcke mehr Geld kosten. Die Säcke werden kostenlos verteilt. Sie sind ein reiner Kostenfaktor und müssen daher immer noch billiger hergestellt werden. Aber denkt doch mal nach! Wenn ich DREI Säcke verschleiße, um am Ende EIN brauchbares Behältnis zu bekommen, ist das viel teurer, als gleich ein doppelt so starkes und damit vielleicht stabiles Produkt zu verwenden. Auf lange Sicht wären sogar gelbe Tonnen preiswerter. Aber in längeren Zeiträumen denken wahrscheinlich nur die vom Gelben Elend mit den Steinmauern.
Aus der Rubrik „Karl Pfefferkorn (1897-1961) zieht vom Leder“