Und? Haben Sie schon alle Weihnachtsgeschenke zusammen oder gehören Sie zu den Leuten, die sich anderthalb Wochen vorher noch nicht verrückt machen lassen?
Wie auch immer Sie eingestellt sind, fest steht, dass sich das Jahr dem Ende zuneigt. Wie auch immer Sie die Feiertage und den Jahreswechsel begehen, es wird Ihnen sicher wieder viel Glück gewünscht werden.
Ich kann wohl davon ausgehen, dass Sie schon mehrmals solche Glückwünsche erhalten haben. Da frage ich mich, ob es inzwischen geholfen hat. Sind Sie glücklich?
Das klingt zunächst nach einer Entscheidungsfrage, also einer Frage, auf die man mit “ja” oder “nein” antworten kann. Aber so leicht wird Ihnen das vielleicht nicht fallen. Ihre zu erwartende Gegenfrage lautet daher wahrscheinlich: “Was meinen Sie mit glücklich?”
Da haben wir’s. Sie wissen also gar nicht, was Ihnen da genau gewünscht wird. Eine recht brauchbare Definition von Glück ist, dass es die Abwesenheit von Unglück darstellt. Das bedeutet: “Sei glücklich, wenn es dir nicht schlecht geht!” Es sollte in unseren Breiten daher doch eigentlich recht viele glückliche Menschen geben. An der Stelle möchte ich jedoch Albert Schweitzer zitieren: “Viele Menschen wissen, dass sie unglücklich sind. Aber noch mehr Menschen wissen nicht, dass sie glücklich sind.” Es wird uns oftmals nicht bewusst, wenn es uns gut geht. Wir wollen immer, dass es uns noch besser geht. Da das nach oben offen ist, bleibt dieses Glück unerreichbar. Erst wenn es mal bergab geht, uns ein Schicksalsschlag ereilt, dann erst schätzen wir richtig, was wir eigentlich schon hatten. So sind die Menschen meist. Sie kennen sicher beispielsweise die Geschichte vom Fischer und seiner Frau. Der Zauberfisch schenkte dem Fischer zum Dank für seine Errettung immer größere Häuser, aber die Frau war nie zufrieden. Am Ende landeten sie und der Fischer wieder in ihrer alten Hütte. (Näheres hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Vom_Fischer_und_seiner_Frau )
Wo ist also der Haken bei der Glückwünscherei? Der Haken liegt darin, dass die meisten Menschen bei “Glück” an Lottogewinne und viel Geld denken, mit dem “Glücklichsein” aber nichts anzufangen wissen und es kaum beachten.
Der Psychoanalytiker und Kunsthistoriker Hans-Otto Thomashoff hat zum Thema “Glück” ein interessantes Buch geschrieben: “Ich suchte das Glück und fand die Zufriedenheit”.
(Das Interview in der Onlineausgabe der Zeitschrift “Die Welt” zum Nachlesen hier http://www.welt.de/vermischtes/article134870810/Lasst-uns-statt-Glueck-die-Zufriedenheit-suchen.html )
Was wir also brauchen, ist mehr Zufriedenheit. Zufriedenheit bedeutet nicht, dass man nicht nach Verbesserung streben soll. Es bedeutet aber Freude über das Erreichte, Dankbarkeit über das Erhaltene und das Bewusstsein, dass dies alles nicht selbstverständlich ist.
Es lebt sich auch deutlich besser und gesünder, wenn man zufriedener ist. Zufriedenheit liegt bei jedem selbst. Für Zufriedenheit gibt es kaum äußere Kriterien. Die eigene Gesundheit und die der Lieben um uns herum sind sicher sehr wichtig. Reichtum ist es mit Sicherheit nicht. Ein jüdisches Sprichwort sagt sogar: “Reich ist der, der mit dem zufrieden ist, was er hat.” Wenn Sie am Ende Ihres Lebens feststellen müssten, dass Sie all die Zeit einem Phantom-Glück aus Werbebotschaften der Konsumgesellschaft hinterher gerannt sind, neidvoll nach anderen, denen es vermeintlich besser ging, geschielt haben und immer nur unzufrieden waren, dann wäre das doch furchtbar. Nutzen Sie die Zeit, die Ihnen bleibt! Erfreuen Sie sich daran!
Ich wünsche Ihnen für das neue Jahr die Abwesenheit von Unglück, das Einstellen von Zufriedenheit und Freude an Ihrem Leben, so wie es ist!
Aus der Rubrik „Karl Pfefferkorn (1897-1961) zieht vom Leder“