Kennen Sie die noch? Diese gelben oder grauen Kisten, die früher an jeder Ecke standen wie stumme Wächter? Telefonzellen! Für die Jüngeren unter uns: Das waren öffentliche Kommunikationszentralen, quasi das analoge WhatsApp unserer Großeltern. Da reinzugehen war ein bisschen wie in eine andere Welt abzutauchen. Münze rein, Wählscheibe (oder später Tasten) bedient, und schon war man verbunden mit der holden Maid, der besorgten Mutti oder dem Kumpel, der einem noch ’nen Fünfer schuldet.
Wofür das Ganze? Nun ja, es gab eine Zeit, da hatte eben nicht jeder so ein kleines, leuchtendes Rechteck in der Hosentasche. Wenn man unterwegs war und dringend quatschen musste, war die Telefonzelle der heilige Gral der verbalen Kontaktaufnahme. Sie bot Privatsphäre (mehr oder weniger, je nachdem wie durchsichtig die Scheiben waren) und war eine Brücke in einer Welt ohne ständige Erreichbarkeit.
Aber dann kam das Smartphone. Und mit ihm die totale Kommunikationsrevolution. Die Telefonzellen verkümmerten zu traurigen Relikten, vollgeklebt mit Werbung und manchmal auch ein bisschen… naja, sagen wir mal „gebraucht“. Die Telekom baute sie nach und nach ab, weil sich der Betrieb schlicht nicht mehr lohnte. Verständlich, oder?
Falsch! Ich sage: Wir brauchen die Telefonzellen zurück! Aber nicht, um darin zu telefonieren. Nein, wir brauchen sie als „Soziale Stillekabinen“ oder nennen wir sie aus Gründen des besseren Marketings „Social Silence Booths“ – öffentliche Rückzugsorte für alle, die mal fünf Minuten ihre Ruhe vor dem omnipräsenten Geplapper anderer Leute haben wollen.
Stellen Sie sich vor: Sie sitzen im Café, genießen Ihren Latte Macchiato, und am Nebentisch brüllt jemand ins Telefon, als würde sein Leben davon abhängen, dass der Gesprächspartner auch ja jedes Detail seiner neuesten Katzenfutterbestellung mitbekommt. Oder im Zug, wo Ihnen ungefragt die komplette Urlaubsplanung der Sitznachbarn ins Ohr geflüstert wird. Nervt, oder?
Hier kommen unsere neuen, alten Freunde ins Spiel. Die Idee ist simpel: Wir reaktivieren die Telefonzellen, pimpen sie ein bisschen auf (bequeme Sitzgelegenheit, vielleicht ’ne kleine Ablagefläche für den Kaffee), aber lassen das Telefon weg. Der Clou: Wer in so eine Zelle geht, signalisiert der Außenwelt auf charmante Weise: „Hey, ich brauche gerade mal ’ne Auszeit vom akustischen Dauerfeuer da draußen.“
Klar, es wird immer noch Leute geben, die ihre halben Monologe im Bus führen. Aber vielleicht, nur vielleicht, würde die Existenz solcher „Social Silence Booths“ ein kleines Umdenken anstoßen. Ein stilles Plädoyer für mehr Rücksichtnahme im öffentlichen Raum. Ein Ort, an dem man sich bewusst für oder gegen die akustische Teilhabe entscheidet.
Also, liebe Städteplaner, liebe Kommunen, liebe Nostalgiker mit Weitblick: Lasst uns die Telefonzellen wieder aufstellen! Nicht als Relikte einer vergangenen Ära, sondern als innovative Inseln der Ruhe in unserer lauten, vernetzten Welt. Es wäre ein Upgrade für unsere Ohren und ein charmantes Statement gegen die akustische Umweltverschmutzung. Wer ist dabei?
Aus der Rubrik „Karl Pfefferkorn (1897-1961) zieht vom Leder“