“Von der Sowjetunion lernen, heißt Siegen lernen”, so lautete eine der Parolen, mit der die DDR-Staatspartei SED dem Volk den Kommunismus eintrichtern wollte. Die Älteren erinnern sich. Für die Jüngeren kurz zur Begriffsbestimmung: Die Sowjetunion war das Staatengebilde, welches in der Hauptsache aus Russland und noch ein paar einverleibten Republiken bestand. Eigentlich hieß der Staat Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR). Die DDR war der Staat vor der Wiedervereinigung, der im Osten lag und die SED ist die Diktatorenpartei, welche mit Hilfe ihres Spitzelapparates in der DDR die uneingeschränkte Macht hatte. UdSSR und DDR gibt es nicht mehr. Die SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) hat sich 1990 in PDS (Partei des demokratischen Sozialismus) umbenannt und ist 2007 mit der WASG (Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit) zusammengegangen. Aktueller Name der Partei: “Die Linke”. Clever überlebt.
Doch zurück zur o. g. Parole. Nun mag man von der sächsischen Mundart halten was man will, in dem Fall ergab sich bei der Aussprache etwa folgende Klangweise: “Von dor Sofjetunjon lern, heeßt Siechn lern”. An der Stelle wurde es wunderbar doppeldeutig und ganz im Sinne des im Osten gepflegten geistreichen Witzes. Letztendlich bekam dann auch die Bedeutung “siechen” den größten Wahrheitsgehalt. Man könnte es schon fast unter “Treppenwitz der Weltgeschichte” einordnen.
Nun gibt es zwar keine Sowjetunion mehr, aber ihr Gegenstück, die USA, gibt es noch. Auch wenn der Westen Deutschlands sich nicht dogmatisch an seine Siegermacht gebunden hatte, so hat das Aufschauen zur Weltmacht seit der Nachkriegszeit Methode. Vieles wurde von Amerika übernommen, was durchaus gut und brauchbar war, leider aber auch viel Mist. Der größte Fehler der Deutschen war wahrscheinlich, ihre Kinder in Amerika studieren zu lassen. Daraus hat sich inzwischen eine Elite nach amerikanischen Vorbild etabliert, die uns alles Amerikanische aufzwingt. Das geht schon in der Schule los, wenn im Englisch(!)-Unterricht amerikanisches Englisch nicht nur erwähnt, sondern auch geprüft wird. Wozu? Es gibt kein Hoch-Amerikanisch. Die reden Englisch. Die einen besser als die anderen, aber es ist dennoch Englisch. Ja, man sollte über ein paar Abwandlungen des amerikanischen Dialektes informieren, wie über den der Australier und der anderen englischsprachigen Erdenbürger. Aber amerikanischem Englisch eine Prüfungsrelevanz zu geben, ist übertrieben. Zum Glück bleibt die Prioirität wenigstens auf der Originalsprache.
Anders sieht es schon beim Marketing aus. Dort wird sich nur an amerikanischen Modellen orientiert. Beispielsweise geht es nur um Neukundenwerbung. Bestandskunden? Die interessieren nicht. Wachstum wird mit Neukunden gemacht. Daraus ergibt sich u.a. folgender Irrsinn: Ich erhalte eine Mail vom Mobilfunkanbieter, dass ich Superkonditionen für einen neuen Vertrag bekommen würde. Fein, dann ändern wir bitte meinen Vertrag in diesen. Nein, das geht nicht. Ich könnte allerdings meinen alten Vertrag kündigen und dann einen neuen nehmen. Dann ist aber meine alte Nummer weg? Ja. – Um die zu behalten müsste ich also meinen alten Vertrag kündigen und mit meiner Nummer zu einem anderen Anbieter wechseln. Dann könnte ich auch dort wieder kündigen und mit meiner Nummer wieder zum alten Anbieter in den neuen Vertrag zu den Superkonditionen. Ihr hab sie doch nicht mehr alle! Ich muss schon alle zwei Jahre Strom- und Gasanbieter wechseln, da es immer nur zwei Jahre einen Bonus gibt und nur mit Bonus ist ein Anbieter im Vergleich an der Spitze. Neukunden bekommen manchmal Lockangebote zu Dumpingpreisen. Am Ende wechselt alles nur immer hin und her. Die Neukundenzahlen steigen stetig an, aber wir drehen uns im Kreis. Früher gab es mal Treueprämien für Langzeitkunden. Da das Nomadenvolk der amerikanisierten Manager aber auch nur kurz im jeweiligen Unternehmen verweilt, sind Langzeiterfolge und Langzeitkunden uninteressant. Ja, es ist sogar egal, ob das Unternehmen selbst längere Zeit existiert. Die Halbwertzeiten von Firmen werden immer kürzer. Das, worauf sich unser Wohlstand gründete, verschwindet mit dem wachsenden Einfluss der amerikanischen Ideologie. Ich fürchte, man kann auch von den USA “Siechen” lernen.
Aus der Rubrik „Karl Pfefferkorn (1897-1961) zieht vom Leder“