Was fällt Ihnen beim Wort „Zinken“ ein? Wer von Ihnen noch mit Besteck umgehen kann, wird vielleicht an seine Gabel denken, die Kleingärtner an den Rechen, der Tischler an eine Holzverbindung und die Langhaarträger vielleicht an einen Kamm. Die jetzt noch schmunzeln, denken sicher an das Riechorgan eines Bekannten.
Das ist soweit auch alles korrekt, denn „Zinken“ sind „Ausbuchtungen“ oder “Zacken“. Auch der Name des chemischen Elements Zink kommt daher, da es beim Erstarren Zinken ausbildet.
Aber es gibt auch noch andere Zinken, auch als „Gaunerzinken“ bekannt. Mancher hat vielleicht schon etwas von „gezinkten Karten“ gehört. Das sind Karten, welche mit geheimen Zeichen versehen sind, um sich einen Vorteil im Spiel zu verschaffen. Um es vorweg zu nehmen: Man ist sich nicht ganz einig, ob diese Zinken auch von den Zacken herrühren, oder ob es vom lateinischen „signum“ (Zeichen) kommt. Wobei ich persönlich der Meinung bin, dass wohl beides auf den selben Ursprung hinausläuft, denn die ersten Zeichen waren ja auch nur irgendwelche Zacken, die irgendwo reingeritzt wurden.
Wie auch immer die Gaunerzinken zu ihrem Namen gekommen sind, Zinken waren oder sind geheime Zeichen, die das so genannte „fahrende Volk“ an Häusern und Plätzen hinterließ, um Ihresgleichen eine Nachricht zukommen zu lassen. Wenn ich jetzt noch das Wort „Zigeuner“ ins Spiel bringe, bin ich aber politisch nicht mehr tragbar. Daher hier noch ein Schwenk zu dieser Bezeichnung. Als „Zigeuner“ wurden früher pauschal nichtsesshafte ethnische Gruppen bezeichnet. Es ist eine Fremdbezeichnung. Keine der Gruppen bezeichnet sich selbst so. Eigene Bezeichnungen sind, je nach Herkunft, z.B. Sinti oder Roma, wobei das nicht mit dem Zigeunerbegriff gleich gesetzt werden kann. Da im Nationalsozialismus der Begriff „Zigeuner“ im rassistischen Wahn überstrapaziert wurde, ist er heute gar nicht mehr verwendbar.
Bleiben wir mal bei „fahrendem Volk“ als Bezeichnung für Nichtsesshafte und lassen wir das „Gauner“ bei den Zinken weg. Es mag sich sicher mancher Gauner das Nachrichtensystem zu Nutze gemacht haben, aber wir wollen das nicht verallgemeinern.
Man hat Zeichen hinterlassen, wie eine Zickzacklinie, was für einen bissigen Hund stand. Ein Passionskreuz bedeutete, dass es sich lohnt, fromm zu tun. Andere Zeichen standen für „Vorsicht, holt die Polizei“, „kein Mann im Haus“, „hier gibt’s Essen“, „Bezahlung gegen Arbeit“, „Alte Leute“, „Frau liebt Männer“, „hier gibt’s nichts“ und vieles mehr. Der Nachfolger wusste Bescheid.
Ein wunderbares System. Für die jüngeren Leser, die den Text bis hier hin geschafft haben (Respekt!), noch eine kleine Übersetzung: Die haben früher quasi die Häuser getaggt und so ihre Experiences geteilt. Social Network also.
Wäre es nicht toll, wenn es so etwas heute noch gäbe? Fahrendes Volk gibt es ja. Wobei ich dies jetzt mal wörtlich nehme. Tagtäglich befindet sich unser Volk bald mehr auf Straßen und Autobahnen, als in Heim und Hof. Gerade auf der Straße lauern Gefahren, vor denen uns ein Vorgänger doch mal warnen könnte.
Meine sensationelle Entdeckung möchte ich nicht für mich behalten. Es gibt diese Zinken bereits. Ein Beispiel: Vielleicht ist es Ihnen schon passiert, dass Sie geblitzt wurden. Sie hatten 47 km/h drauf und das war zu schnell. Es muss schon mal jemand vor Ihnen gemerkt haben, dass dort 47 km/h zu schnell sind und hat dort ein geheimes Zeichen angebracht. Da steht neben der Straße ein Schild mit einer 30 drauf. Der Unwissende denkt sich nichts dabei. Aber es bedeutet „nicht schneller als 30 km/h fahren“. Genial! Das hätten Sie mal früher wissen sollen! Es gibt auch Stellen, wo man lieber nicht parken sollte, weil sonst noch das Auto abgeschleppt wird. Die Zinken hier sind rote Kreise mit einem schrägen roten Strich. Bei einem roten Kreuz sollte man gleich gar nicht anhalten.
Wenn Sie wieder mal mit dem Fahrzeug unterwegs sind, achten Sie auf die unauffälligen Zeichen am Wegesrand. Mit etwas Übung hat man schnell raus, was sie darstellen sollen. Wenn man sich dran hält, kommt man gleich viel besser zurecht.
Aus der Rubrik „Karl Pfefferkorn (1897-1961) zieht vom Leder“