Heute ist Unterhaltung multimedial, 3D und realtime. So etwas ist nicht so einfach. Da braucht es Technik, Spezialeffekte und Computeranimation. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass es an lokalen Phantasie-Geschichten mangelt. Es war früher halt wesentlich einfacher. Da gab es Geschichten die wurden erzählt, also monomedial, 1D(?) und es konnte alles auch schon eine Weile her sein.
Daher hatte früher nahezu jeder Ort eine oder mehrere Sagen zu berichten. Das sind so Geschichten mit geringem Wahrheitsgehalt, welche in der Vergangenheit spielen. Heute gibt es nur noch Sagen, also Geschichten mit geringem Wahrheitsgehalt, die in der Zukunft spielen. Die nennen sich Wettervorhersagen. Aber der ungeküsste Wetterfrosch soll hier nicht die Hauptrolle spielen, sondern einer, der noch eindeutiger der Gattung “Phantasievolk” zuzuordnen ist: der Kobold.
Von der Sorte gab es früher offensichtlich reichlich. Die waren billig und auch Großsteinberg konnte sich mindestens einen davon leisten. Wer es nachlesen mag, dem empfehle ich: Sagenhafte Wanderungen zu Magischen Orten in Leipzig und Umgebung …, Band 2 von Alexander Blöthner.
Dass es heute leider keine neuen Erzählungen mit solch putzigen Gesellen und den kleinen Wundern gibt, ist sehr schade und lässt das regionale Kulturgut doch etwas verarmen.
So muss auch ein zeitgenössischer anonymer Künstler gedacht haben und will wohl den Kobold von Großsteinberg erneut zum Leben erwecken. Natürlich muss dies multimedial, 3D und in realtime geschehen. Ich hätte mich glatt darüber gefreut, wenn der Künstler (oder die Künstlerin) doch nur richtig recherchiert hätte. Mal schnell zu googlen hätte hier sogar Erfolg gebracht. Das erste Ergebnis bei “Kobold” stammt von Wikipedia: “Der Kobold ist ein Hausgeist, der das Haus schützt, aber seine Bewohner gerne neckt, allerdings ohne Schaden anzurichten.”
Was aber macht der neue Kobold von Großsteinberg? Er richtet nur Schaden an. So hat er auch in der Adventszeit mehrere Beleuchtungen sabotiert. Beim Christbaum des Heimatvereins wurde z.B. eine der Glühlampen gestohlen, welches kurze Zeit für einen Totalausfall der Lichterkette sorgte. Es sind aber auch noch mindestens zwei weitere Fälle bekannt, bei denen die Weihnachtsbeleuchtung absichtlich beschädigt wurde.
Nicht ganz sicher ist, ob die Farbschmierereien an der Friedhofsmauer, dem Bahnhofsgebäude und an vielen weiteren Stellen auch vom Aushilfskobold stammen. Auf sein Konto geht aber bestimmt noch der Schilderklau auf dem Weg zur “Roten Bank”, womit der vom Heimatverein mühevoll ausgeschilderte Weg zur legendären Stein-Bank für Besucher wieder unkenntlich gemacht werden soll. Falls jemand die Bank ohne Schilder finden möchte, hier sind die Koordinaten: +51°15’17.6″, +12°39’58.6″. (Das kann man so in Google-Maps eingeben.)
Wenn ich mir das so richtig überlege, zweifle ich fast daran, dass dies das Werk eines schlechten Künstlers ist. Wahrscheinlich handelt es sich einfach nur um einen schlechten Menschen. Als Kobold wäre ich stinkesauer, wenn mir so einer den guten Ruf versaut und würde mir zumindest etwas einfallen lassen, wie ich ihn auffliegen lassen kann.
Aus der Rubrik „Karl Pfefferkorn (1897-1961) zieht vom Leder“