Sie sind ja so süß, die burmesischen Flugkühe. Sie sind ja auch so zutraulich. Wenn sich so eine burmesische Flugkuh an einen schmiegt und dabei lieblich vor sich hin schmatzt, dann kann man einfach nicht anders, dann muss man sie ein wenig kraulen. Dann legt sie sich auf den Rücken und lässt sich noch den Bauch streicheln. Wenn sie genug hat, springt sie auf, nimmt hopsend Anlauf und fliegt davon. So sind sie halt, die burmesichen Flugkühe, sie haben ihren eigenen Kopf.
Ursprünglich hat sich die Flugkuh dem Menschen angeschlossen, weil sie Jagd auf Mücken gemacht hat, und als der Mensch sesshaft wurde und sich Schlafzimmer baute, gab es dort davon immer eine mehr, als man erlegen konnte.
Inzwischen geht aber kaum noch eine Flugkuh auf Mückenjagd. Die Tierfutterindustrie in Myanmar, der Heimat der burmesichen Flugkuh, hat sich voll auf das beliebte Haustier eingeschossen. Es gibt bald mehr verschiedene Nahrungsmittel für diese Lieblinge als für Menschen. Die Fernsehwerbung dafür lässt sich nur schwer von der für ein Sternerestaurant unterscheiden. Das Futter ist nicht das einzige Produkt, was ganz auf die possierlichen Tierchen und deren Stellung ausgerichtet ist. Da gibt es Pflegesets, Kuschelkörbchen und Landekissen. Was nicht direkt für das Tier verwendet werden kann, bekommt mindestens ein Bildchen als Aufdruck. Man kann Bettwäsche, T-Shirts und Mützen, Plüschtiere, Porzellan-Nippes und Abtreter in Form einer Flugkuh kaufen. Und erst die vielen Flugkuhvideos auf MooTube! Zum x-ten Mal tappt ein kleines Flugkälbchen durch die Bude und fällt über die eigenen Beine oder knallt bei den ersten Flugversuchen gegen die Zimmerpalme. Süß! Man müsste meinen, dass die Menschen mal irgendwann die Nase voll davon haben. Weit gefehlt!
Dabei sind die Viecher weder pflegeleicht noch gelehrig. Zumindest gehorchen sie nie. In der Mauser ist alles voller Federn. Das nächtliche Liebesspiel ist auch ziemlich nervig. Bei dem ganzen Gemuhe kann man kaum schlafen. Wenn sie draußen herumfliegen, klatscht auch schon hin und wieder ein grüner Fladen auf die Gartenbank des Nachbarn. Ach der soll sich nicht so haben. Man kann die Tiere nun mal nicht einsperren. Etwas zu schaffen machen die streunenden Flugkühe. Die bereiten gerade unter Bienenvölkern großen Schaden. Furchtbar sind auch Besitzer einer allzu großen Sammlung an Flugkühen. Der Gestank ist dann unerträglich. Die Ausscheidungen und Gebietsmarkierungen der Flugkühe sind aber auch so überall zu finden und zu riechen. Egal, ob man selbst so ein Tier hat oder nicht, man wird von ihrer Anwesenheit nicht verschont. Sie landen in fremden Gärten und auf fremden Häusern, erledigen dort ihr Geschäft, markieren das Revier, buddeln Blumenzwiebeln aus und hinterlassen ihre Federn. Von wegen “Haus”tier. Aber sprechen Sie bloß keinen Besitzer darauf an! Das ist nun mal die Natur der Tiere. Dabei gibt es die Tiere so in der Natur gar nicht. Unglaublich so etwas!
Zum Glück bleibt uns das alles erspart. Es gibt bei uns keine burmesichen Flugkühe.
Aus der Rubrik „Karl Pfefferkorn (1897-1961) zieht vom Leder“